Eine Gruppe bewaffneter Männer ist Anfang Juni in unseren Produktionsstandort in Campo Largo in Brasilien eingedrungen und hat die Mitarbeitenden bedroht. Was wollten die Männer? Wir haben mit Geschäftsführer Jonathas Baerle, der selbst vor Ort war, über den Vorfall gesprochen.
15 Stunden lang befanden sich die gebana Mitarbeitenden in Campo Largo in der Gewalt der bewaffneten Räuber.
Es war etwa 10 Uhr morgens, als am 4. Juni 2021 vier bewaffnete Männer das Gebäude von gebana Brasil in Campo Largo stürmten. Die Angreifer trieben sofort alle Mitarbeitenden zusammen und hielten sie bis 3 Uhr am nächsten Morgen in ihrer Gewalt.
Einer unserer Mitarbeiter versuchte zu fliehen, ein instinktiver Impuls. Doch die Angreifer erwischten ihn und er wurde leicht verletzt. Alle anderen Mitarbeitenden blieben glücklicherweise unversehrt. Zumindest körperlich. "Wir und auch unsere Familien und Freunde sind traumatisiert", sagt Jonathas Baerle, Geschäftsführer von gebana Brasil, am Telefon. "Niemand hat damit gerechnet, dass hier so etwas passieren würde."
Ein bewaffneter Raubüberfall auf einen Verarbeitungsbetrieb für Soja erscheint tatsächlich eigenartig. Noch dazu wenn man bedenkt, dass die Kleinstadt Campo Largo mit ihren etwas mehr als 130'000 Einwohner:innen bisher als sehr sicher galt. Sie ist nicht zu vergleichen mit Grossstädten wie São Paulo oder Rio de Janeiro. Das Städtchen liegt fern jeglicher Landesgrenzen, nahe der Küste und ist für ihre Keramik- und Porzellanproduktion bekannt. Deshalb trägt sie auch den Übernahmen Capital da Louça, Hauptstadt des Geschirrs.
Das Ziel der Räuber war gemäss Jonathas das Sojaöl, das gebana Brasil produziert. Doch das war nicht sofort ersichtlich, denn die vier Männer hatten keinen Tankwagen mitgebracht. Sie gingen wohl davon aus, dass gebana Brasil einen solchen auf dem Gelände haben würde, mit dem sie das Öl abtransportieren konnten. Doch dem war nicht so.
Die vier Männer versuchten dann bis in die frühen Morgenstunden ihren offensichtlichen Planungsfehler zu korrigieren und einen Tankwagen aufzutreiben. Gemäss Jonathas hatten sie auf der Strasse weitere Komplizen, er konnte sie aber nicht sehen und somit auch nicht sagen wie viele es waren. Die Räuber kommunizierten jedoch eindeutig mit Leuten ausserhalb des Geländes.
Als sich schliesslich abzeichnete, dass die Komplizen keinen Tankwagen finden würden, wichen die vier Männer von ihrem wackligen Plan ab und entwendeten stattdessen zwei Autos von gebana. Diese beluden sie mit diversen Werkzeugen und rund 1000 Litern Sojaöl in Kanistern und fuhren davon.
In der Woche nach diesem bizarren Überfall, als die Polizei sich dann endlich mal mit dem Fall beschäftigte, fand sie die Autos, einen Teil der Werkzeuge und verhaftete sogar zwei Männer. Einer der beiden wurde später als einer der vier Angreifer identifiziert, wie Jonathas erzählt. Doch schon am nächsten Tag war der Mann wieder auf freiem Fuss.
Wie kann das sein? "Das ist Brasilien", sagt Jonathas resigniert – Korruption ist ein grosses Problem im Land. Der verhaftete und wieder freigelassene Mann habe eine "Abmachung" mit der Polizei und beteiligt sie an den "Erlösen" seiner Überfälle, sagt Jonathas.
Bleibt die Frage, warum diese Angreifer ausgerechnet einen Sojaverarbeiter überfallen haben. Für Jonathas kommen hier mehrere Faktoren zusammen. Die Arbeitslosigkeit sei in Brasilien in den letzten Jahren sehr stark gestiegen – von 11.9 Prozent im Jahr 2019 auf heute fast 15 Prozent – und die Wirtschaft sei so schwach wie nie. Der Wert der brasilianischen Währung Real ist seit Anfang letzten Jahres im Vergleich zum Euro um über 50 Prozent gesunken.
Gleichzeitig sind die Preise für Sojaöl seit Januar 2020 von rund 3600 Real pro Tonne auf fast 8000 Real gestiegen. Ähnlich sieht es bei den unverarbeiteten Sojabohnen aus: Im Januar 2020 kostete eine Tonne rund 1600 Real, im Mai dieses Jahres 3400 Real. All das sowie die Korruption im Land würden Kriminalität und Gewalt fördern, sagt Jonathas.
Für gebana Brasil war der Überfall auf die Produktion dennoch ein extremes Ereignis, mit dem niemand gerechnet hatte. Allerdings war es keineswegs das erste Mal, dass gebana Brasil ins Visier von Dieben gerückt ist: Während der Sojaernte zwischen März und April dieses Jahres wurden sieben Trucks mit Sojabohnen überfallen und die Rohwaren gestohlen.
Die Folge des jüngsten Vorfalls ist, dass sich vor allem die Mitarbeitenden der Nachschicht – im Hochbetrieb in den Monaten nach der Ernte läuft die Fabrik 24 Stunden am Tag – nicht mehr zur Arbeit trauen. gebana Brasil hat in Campo Largo deshalb neue Überwachungskameras und Sicherheitssysteme installiert sowie einen bewaffneten Sicherheitsdienst engagiert, der zwischen 18:00 und 6:00 Uhr auf dem Gelände patrouilliert. Es ist bedauerlich, dass solche Massnahmen nötig sind, aber andere Optionen gibt es für gebana Brasil im Augenblick leider nicht.
Jonathas rechnet auch damit, dass die Gewalt und Kriminalität in den nächsten drei bis vier Jahren weiter zunehmen wird. Wegen der generellen politischen und sozialen Situation sowie der Corona-Politik Jair Bolsonaros gibt es bereits vermehrt Streiks, Demonstrationen und Ausschreitungen im ganzen Land und die Kriminalitätsrate steigt zusehends.
Soybeans Monthly Price https://www.indexmundi.com/commodities/?commodity=soybeans&months=60¤cy=brl (abgerufen am 15.6.2021 um 10:00 Uhr)
Soybean Oil Monthly Price https://www.indexmundi.com/commodities/?commodity=soybean-oil&months=60¤cy=brl (abgerufen am 15.6.2021 um 10:00 Uhr)
EDA Reisehinweise für Brasilien https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/brasilien/reisehinweise-fuerbrasilien.html
Proteste gegen Bolsonaros Corona-Politik https://www.dw.com/de/proteste-gegen-bolsonaros-corona-politik/a-57716087 (abgerufen am 15.6.2021 um 13:00 Uhr)
gebana AG, Ausstellungsstrasse 21, 8005 Zürich, Schweiz
gebana AG, Ausstellungsstrasse 21, 8005 Zürich, Schweiz
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Hier sehen Sie alle abgeschlossenen Projekte von der Plattform Marktzugang auf einen Blick. Sie erfahren, wo die Produkte inzwischen erhältlich sind oder ob die Produzenten noch einen Handelspartner suchen.